Hält mein Hund den Sport aus?

Wenn du Hundesportler bist, kennst du es wahrscheinlich – irgendwann entschließt man sich, sein Leben mit einem Hund zu verbringen. Man besucht eine Hundeschule und legt vielleicht auch eine kleine Prüfung ab. Verbringt Zeit mit dem vierbeinigen Freund, schnuppert in Sportarten hinein und findet Hundesport und Training eigentlich ziemlich spannend. Nach und nach wird man immer weiter in den Sog des Hundesports gezogen, bildet sich eine eigene Bubble mit anderen gleichgesinnten Hundesportlern um sich rum und ohne, dass man es merkt, besteht das Leben plötzlich hauptsächlich aus dem Hundesport – mit Training, Seminaren und allem, was dazugehört.

Der Hund macht das ganze (hoffentlich) freudig mit, denn die meisten Hunde-Individuen sind nun mal über lange Zeit auf Arbeitseifer hin selektiert worden. Es ist eine „Win-Win-Situation“. Welchen Sport man auswählt, ist dem Hund meist ziemlich egal, wenn die Trainingsmethode stimmt, hat fast jeder Hund an allem Freude. Natürlich gibt es gewisse Veranlagungen, die die Rassen mit sich bringen, aber im Prinzip sind fast alle Hunde für alle Sportarten geeignet – wenn der menschliche Part im Team es richtig anstellt.

Körperliche Problemzonen sind in den ersten Jahren des Sports meist kein Thema, nur bei größeren Baustellen und sehr belastenden Sportarten oder falscher (zu früher?) Belastung durch den Menschen zeigen sich eventuell schon schnell Nachlässigkeiten im Gewebe. Zu früh bedeutet, dass Gewebe, wie Knochen, Bänder oder Muskeln in einem zu jungen Alter zu hohen Kräften standhalten müssen. Das kann je nach genetischer Ausstattung (Stichwort Erbkrankheiten des Bewegungsapparates) des Hundes früher zu Problemen führen als bei anderen Hunden.

Es gibt aber auch Langzeitfolgen – diese treten meist deutlich später auf. Damit meine ich die Auswirkung chronischer Über(Fehl-)belastung im Sport. Wenn du jetzt denkst „Ich trainiere mit Verstand und Maß und Ziel, mache Fitnesstraining, füttere meinen Hund ordentlich, lasse ihm Pausen, wärme auf und mache alles richtig – chronische Überbelastung kann ich bei meinem Hund definitiv ausschließen“ dann muss ich dir leider sagen, dass es nicht so einfach ist.

Hier spielt neben dem Training auch der Körperbau des Hundes eine entscheidende Rolle. Das heißt, was hat der Hund genetisch von seinen Vorfahren mitbekommen, nicht nur was Erberkrankungen wie ED, HD oder OCD betrifft, sondern generell sein Aussehen –  das im Grund vom Skelett bestimmt wird. Hier geht im Großen und Ganzen um Knochenlängen und sich daraus ergebende Gelenkswinkel.

Ob ein Hund langbeinig oder kurzbeinig ist, ob er einen langen Rücken, einen kurzen Hals oder runde Pfoten hat, das bestimmt die Genetik. Jeder Hundemensch hat so seine eigene Vorstellung was gefällt. Manche mögen gerne die quadratischen, manche die rechteckigen, manche die kleinen Hunde, manche lieber große. Manche bullige und manche zierliche, windhundartige. Auch das Wesen des Hundes spielt meist eine entscheidende Rolle.

Über Geschmack kann man sich nicht streiten ist hier das Motto – egal ob es Körper oder Wesen betrifft. Der Geschmack des Besitzers oder Züchters entscheidet aber sehr wohl über den körperlichen Werdegang des Hundes im Sport. Er entscheidet zusammen mit der ausgewählten Sportart und Trainingsintensität über die Frage: Wie lange bleibt mein Hund fit im Sport?

Wenn mir zierliche Windhunde gefallen, kaufe ich meist auch eine sehr steile Vorhandwinkelung mit ein. Das bringt die Selektion dieser Rassen mit sich. Eine steile Vorhand ist sinnvoll, um schnell und energieeffizient im gestreckten Galopp Wild hinterher zu hetzen. Sie ist aber absolut kontraproduktiv, wenn ein Hund viele Sprünge absolvieren muss und dadurch viele Landungen auf die Vorhand treffen. Je nach Gewicht des Hundes wird ein solch gebauter Hund gut und lange kompensieren können. Kommen hier aber noch anderen Widrigkeiten dazu, wie kleinere Verletzungen, kein Aufwärmen, schlechter Muskelaufbau – dann wird das Verletzungsrisiko im Sport plötzlich dramatisch ansteigen. Habe ich nun kein Leichtgewicht wie einen Windhund, sondern einen stämmigen Malinois mit steiler Vorhand und kombiniere das Ganze mit Agility, einem Sport, der quasi nur aus Sprüngen in verschiedensten Varianten besteht, könnte das zu einem Problem werden.

Ein zweites Beispiel: Border Collies eignen sich aufgrund ihres selektiven Backgrounds ausgezeichnet für Obedience. Sie sind schnell und wendig, lieben es mit Menschen zu arbeiten und nehmen kleinste Signale des Menschen auf. Über Generationen hat diese Rasse gelernt, effizient mit dem Menschen zusammenzuarbeiten. Körperlich sind sie vor allem in der Vorhand sehr mobil und wendig und können mit der Hinterhand ordentlich aufs Gaspedal drücken. Mittlerweile sind viele der Vertreter sehr schmalbrüstig und langbeinig. Geringe Brusttiefe- und breite bieten wenig Ansatzfläche für Muskulatur und geben dem Oberarm keine gute Führung. Das Schultergelenk, oder besser gesagt die Bänder drum herum und die Gelenkskapsel, leben aber davon, dass der Oberarm gewissen Halt und Unterstützung hat. Wendigkeit kann Vorteile haben, aber bei zu viel Wendigkeit mit der falschen Belastung überwiegen die Nachteile. Am stehenden Hund erkennt man fehlende Führung meist, indem der Hund die Ellbogen nach innen und Zehen nach außen dreht. Vor allem Junghunde zeigen dieses Bild, da der Brustkorb sich oftmals erst später fertig entwickelt. (erst mit etwa 2,5-3 Jahren ist der Hund vom Körperbau her wirklich fertig).

Die Obedience-Sportler unter euch wissen, dass diese Sportart von Stopps und Wendungen lebt. Diese soll der Hund idealerweise in Millisekunden ausführen. Aus vollem Lauf abzubremsen und sich dabei eventuell sogar noch zu Drehen bringt starke Belastung auf die Front des Hundes. Gibt es aufgrund der Genetik des Hundes Schwachstellen in diesem Bereich wie zum Beispiel eine nicht ganz ideale Winkelung des Schultergelenks aufgrund eines zu wenig tiefen und breiten Brustkorbs oder nach außen gedrehte Pfoten – kann sich das fatal auswirken. Und hier sind wir bei chronischer Überbelastung – Fehlbelastung bei jedem Schritt, bis das System nach Monaten oder Jahren zusammenbricht und sich erste Verletzungen (die sich wiederholen) und später chronische Lahmheiten zeigen.

Mit Fitnesstraining kann man hier natürlich versuchen die Muskulatur einspringen zu lassen – aber der Körperbau ist genetisch vorgegeben und Schwächen kann man nicht vollständig wegtrainieren. Man verschiebt die Grenzen vielleicht etwas, schlägt mehr Zeit heraus, aber besonders im Hochleistungssport und bei häufiger Wiederholung geht es irgendwann über die Grenzen hinaus.

Daher sollte der Körperbau des Hundes immer in die Beurteilung des Physiotherapeuten beim vierteljährlichen Gesundheitscheck mit einfließen. Dem Hund zuliebe sollte der Besitzer davon erfahren, wenn sein Hund aufgrund des Körperbaus Probleme im Sport entwickeln könnte. Auf manche Elemente des geliebten Sports sollte man dann vielleicht im Sinne des Hundes verzichten oder diese etwas angepasster trainieren (Sprunghöhe verändern, Geschwindigkeit nicht bis ans Limit treiben…) Es sollte eine Win-Win-Situation bleiben.

Denn dem Hund ist es ganz egal, wie oder was man trainiert – er vertraut uns zu 100%.